„Die Steinzeit scheint vorbei zu sein“: Wer ist besser, die Beatles oder doch die Rolling Stones? (2024)

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„Die Steinzeit scheint vorbei zu sein“: Wer ist besser, die Beatles oder doch die Rolling Stones?

„Die Steinzeit scheint vorbei zu sein“: Wer ist besser, die Beatles oder doch die Rolling Stones? (1)

Dürfen wir vorstellen, die Rolling Stones! Begabt, nicht mehr jung und niemals kleinlaut (Ronnie Wood, Mick Jagger, Keith Richards v.l.).

Quelle: Scott Garfitt

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Am 20. Oktober erscheint das neue Album der Rolling Stones – guter Zeitpunkt, um vorab zu klären, wer musikalischer, interessanter und überwältigender ist, die Jungs aus Liverpool oder aus London.

„Die Steinzeit scheint vorbei zu sein“: Wer ist besser, die Beatles oder doch die Rolling Stones? (2)
Lars Grote

Potsdam. Neulich kam der „Rolling Stone“ ins Haus, ein Magazin, das sich durch seinen Namen ja bereits als ausdrücklich befangen in der Sache sieht. Es ging im Heft nicht ausdrücklich, eher indirekt um diese alte Frage, die mit dem neuen Stones-Album „Hackney Diamonds“ (erscheint am 20. Oktober) eine neue Aktualität bekommt: Wer sind denn nun die Größten, die Rolling Stones oder die Beatles? Das Heft hat nicht auf neue Songs geguckt, es schaute auf die lange Strecke: „Die 500 besten Alben aller Zeiten“ wurden aufgelistet, ganz vorne Velvet Underground mit dem Debüt von 1967, Andy Warhols Siebdruck der Banane auf dem Cover.

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Einen seriösen Einwand gegen diesen Spitzenplatz kann es nicht geben, auch wenn die Liste sehr persönlich ist. 135 gestandene Menschen aus dem Popgeschäft, auf und hinter der Bühne, wurden befragt.

Rolling Stones erst ab Platz 51 bei den „Besten Alben“

Doch was kam hinter Velvet Underground? Weil ein Mensch, der Geld ausgibt für eine Ausgabe des „Rolling Stone“, ein ausgewachsenes Interesse an der Hausband hat, war die Überraschung groß, dass die Rolling Stones als Maximum nur auf Platz 51 kamen, mit „Sticky Fingers“ (erschienen 1971). Weitere Alben lagen auf Platz 58 („Beggars Banquet“ von 1968) und 59 („Exile on Main St.“ von 1972).

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Die Beatles hatten bessere Karten, das Album „Revolver“ (1966) kam auf Platz 3, „The Beatles“, im Volksmund das „Weiße Album“ genannt (1968), landete auf Platz 7. „Abbey Road“ (1969) auf 11, „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ (1967) auf 12, „Rubber Soul“ (1965) auf 53. Was war da los? Das frühe „Rubber Soul“ der Beatles vor dem reifen, ausgefransten, drogenzersetzten Meisterwerk „Exile on Main St.“ von des Stones?

Auch dem Magazin war das nicht angenehm, es schrieb: „Die Steinzeit scheint vorbei zu sein.“ Das ist ein ziemlich kurzer Satz für einen Nachruf, als wolle man das Ableben der Band so nüchtern halten wie im Ton der „Tagesschau“.

24. Album der Rolling Stones

Die Rolling Stones haben sich 1962 in England gegründet. Sie zählen zu den langlebigsten und kommerziell erfolgreichsten Gruppen der Rockgeschichte. Mit Nummer-eins-Hits in den Jahren 1965 („The Last Time“) und 2020 („Living in a Ghost Town“) sind die Stones in Deutschland die Band mit der längsten Zeitspanne zwischen zwei Hitparadenspitzenreitern.

Die Beatles waren eine aus Liverpool stammende britische Beat-, Rock- und Pop-Band. Mit mehr als 600 Millionen – nach Schätzungen ihrer Plattenfirma EMI sogar mehr als einer Milliarde – verkauften Tonträgern sind sie die erfolgreichste Band der Musikgeschichte. Den Höhepunkt ihrer Karriere erreichte die Band zwischen 1964 und 1969, als sie zeitweise in fast allen Ländern die Hitparaden anführte. 1970 trennten sich die Wege der Bandmitglieder John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr aufgrund interner Spannungen.

Das 24. Studioalbum „Hackney Diamonds“ der Rolling Stones erscheint am 20. Oktober 2023.

Seien wir ehrlich, unsere Frage ist gedanklich nicht ganz sauber, weil man so ein Entweder/Oder sonst nur Kindern stellt: Was magst du lieber, deinen Geburtstag oder Weihnachten? Darauf gibt es keine Antwort. Und wer nun fragt, wen hört ihr lieber, die Rolling Stones oder die Beatles, der kriegt seit 50 Jahren immerzu die gleiche Antwort: Ich höre beide!

Trotzdem ist es nahezu schockierend, was die Liste uns vor Augen führt. Gilt die Lesart, dass die Beatles musikalisch reifer waren, geistig aufgeschlossener und als Persönlichkeiten interessanter, die Rolling Stones hingegen sich vor allem durch die Pose einen Namen machten, durch den Ruf des legendären, aufmüpfigen Männerbundes, von Drogen befeuert, durch Frauengeschichten ins Reich der Mythen transportiert? Und ist da etwas dran, dass Paul McCartney erst vor Kurzem zwar ironisch, letztlich aber nicht ganz falsch über die Stones als „talentierte Blues-Coverband“ sprach, die ihre zwei, drei guten Songs im Grunde immer variierten? Ist es diese Richtung, die uns vorgibt, warum die Stones bei einem Ranking in der Gegenwart so derbe auf dem Hosenboden landen?

Im Grunde sind McCartney und die Rolling Stones enge Freunde

Es ist zu reduziert, die Rolling Stones als enge Stilisten zu verhöhnen, die mehr Testosteron als Musikalität besitzen (auch wenn die beiden ersten Singles ihres neuen Albums, „Angry“ und „Sweet Sounds of Heaven“, nur noch als Erkennungsmelodien einer guten, alten Zeit verstanden werden können). Die künstlich aufgebauschte Konkurrenz ist ein Geschäftsmodell der beiden Bands. Dass Andrew Watt als Produzent des neuen Albums „Hackney Diamonds“ von Paul McCartney empfohlen wurde, ist kein Zufall. Sie sind alle miteinander gut befreundet, und im Grunde könnte man jetzt Jagger, Richards und Ron Wood auf Stones-Seite und McCartney sowie Ringo Starr auf Beatles-Seite in ein Boot holen, um gemeinsam aufzutreten, als „Rest of the Best“. Kommerziell wäre das die nachhaltigste Lösung. Und musikalisch ist es mittlerweile ohnehin egal, Stones und Beatles sind Marken. Die Schriftzüge entscheiden. Was inhaltlich unter dem Deckel steckt, wenn kurz vor Weihnachten mal wieder etwas Neues auf den Markt kommt, muss nicht mehr mit den feinen Instrumenten der Musik-Kritik vermessen werden. Der Mythos zählt. Die Kultivierung der Erinnerungen.

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Natürlich kann man trotzdem gut begründet und flankiert von Emotionen über diese beiden Gegenpole reden, die grundverschieden alt geworden sind. Ein großer Teil der Beatles-Heiligsprechung liegt im Fakt begründet, dass sich die Band getrennt hat. Sich das Ende 1970 zugetraut hat, trotz der huldvollen Verehrung ihrer Fans. Zwischenmenschlich war nichts mehr zu holen, es kostet Mut, aus diesem Scheitern eine Konsequenz zu ziehen.

Warum liegt „Let It Be“ nur auf Platz 296?

Auch musikalisch, heißt es, war die Band am Ende, doch wenn man hört, was dieses späte Album „Abbey Road“ noch auf den letzten Metern für ein Medley unfertiger Lieder auf die Platte packte, kann davon keine Rede sein. Selbst „Let it Be“, das vor „Abbey Road“ entstand, doch ein Jahr später (1970) erschien, ist eine Sammlung von Songs, die so genau und nachhaltig geschrieben und (auf Betreiben von Paul McCartney) eingespielt wurde, dass es einem das Herz bricht, wenn der „Rolling Stone“ sie in der Liste hinten auf Platz 296 führt.

Die Rolling Stones haben nie aufgehört. Nun kommt Studio-Album Nummer 24. Wer ihnen daraus einen Vorwurf macht, aus dem neuen Album und der Neverending-Story ihrer Laufbahn, hat den Kern der Band aus London nicht verstanden. Wer darüber schimpft, dass Mick Jagger „nicht in Würde altert“, immer wieder Vater wird, immer wieder auf die Bühne steigt und rotzt, er spüre nirgendwo Erfüllung (auf Englisch „Satisfaction“), der übersieht, wie viel der Mann getan hat für die aktuelle „Generation Rente“. Das klingt betulich, doch gemeint ist eindeutig das Gegenteil: Auch über 70 darf man sich verknallen. Enge Jeans tragen. Zu laut Musik aufdrehen (und es muss nicht immer Schubert sein).

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Ja, selbstverständlich sind die Beatles die „bessere“ Band, wenn man es musikalisch nimmt und sich in einem Feuilleton den Ruf des Feingeistes bewahren will. Die Stones sind ruppiger, rudimentärer. Sie kommen nicht zur Ruhe, auch wenn das neue Album nur noch eine Geste ist, kein nachhaltiges Statement. Die Beatles sind besser? Okay. Dann sind die Stones „größer“. Menschlicher, unerschütterlicher, fehlbarer.

Für welche Band schlägt Ihr Herz, für die Beatles oder die Rolling Stones? Schreiben Sie uns Ihre Liebeserklärungen unter dem Betreff „Debatte“ an leserbriefe@maz-online.de

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